Intuition. 1968.
Multiple. Holzkiste mit Bleistiftzeichnung.
Schellmann 7. Betitelt. Verso signiert und datiert sowie mit dem Herausgeberstempel des Vice Versands, Remscheid. Eines von ca. 12.000 Exemplaren. 30 x 20,6 x 5,5 cm (11,8 x 8,1 x 2,1 in).
[EH].
• „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (Joseph Beuys).
• Intuition gehört zu den frühesten Multiples von Joseph Beuys
• Ein weiteres Exemplar befindet sich z.B. in der Sammlung der Pinakothek in München.

AUSSTELLUNG: Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, 26.3.–22.5.2021.

LITERATUR: Hartmut Kraft, Joseph Beuys. Intuition. Entstehungsgeschichte, Interpretationen und Variationen eines Multiples, Dortmund 2021.

Die von George Maciunas, Begründer der internationalen Fluxus-Bewegung, initiierte Strategie durch auflagenstarke und preiswerte Kunstobjekte der Vermarktung von Kunst und der Inbesitznahme durch wenige vermögende Sammler entgegen zu wirken, ist vor allem Beuys in hohem Maße gefolgt. Seine anfänglich preiswerten Editionen, Auflagenobjekte, kurz Multiples, sind im Werkverzeichnis mit 557 Nummern beziffert, Postkarten und Plakate ausgenommen. Die offene Holzkiste mit dem Titel „Intuition“ aus dem Jahr 1968 zählt mit der Nummer sieben zu den frühesten und mit geschätzten 12.000 Exemplaren zu den auflagenstärksten Multiples von Beuys. Der kunstbegeisterte Remscheider Unternehmer Wolfgang Feelisch verschickte 1967/68 eine A4 große Holzkiste an mehrere Künstler mit der Bitte, sie in ein Auflagenobjekt zu verwandeln, die er in seinem gerade gegründeten VICE-Versand vertreiben wollte. Dieses offene Behältnis war sozusagen eine materiell vorgetragene Bitte, es mit Ideen oder vervielfältigbaren Objekten zu füllen. Beuys, einer der angeschriebenen Künstler, nutzte die Kiste nicht als Transportbehältnis, sondern als Träger einer Botschaft, die „statt Kochbuch“in der Küche hilfreich sein sollte. Auf dem A4-Blatt großen Boden der Kiste schrieb Beuys mit spitzem Bleistift das Wort Intuition und zeichnete zwei übereinander liegende Linien, wovon die obere an beiden Enden von einer senkrechten Linien begrenzt, während die untere beinahe unsichtbar beginnt und stärker werdend ebenfalls links durch einen senkrechten Strich aufgehalten wird. Die obere Linie ist Chiffre eines rationalistisch begrenzten Denkens, während darunter der zarte Anlauf aus der Ahnung, der Intuition zu einem offenbleibenden Resultat führt.
Der von Maciunas ursprünglich postulierten antimerkantilen Intention wurde mit einem Preis von 8 DM Rechnung getragen. Beuys setzte die gewaltige Produktion bis 1985 fort, wobei sich der Preis nur unwesentlich auf 45 DM erhöhte. Obwohl zahlenmäßig als Massenware zu verstehen, ist jede Kiste ein (von unterschiedlichen Personen) gefertigtes, aber handgeschriebenes Unikat, eine Zeichnung von Beuys. „Intuition“ ist der Ruf nach einem neuen Denken, das den eingefahrenen Rezepten in „der Küche“ der Gesellschaft eine ungeahnte Öffnung versprach. [Eugen Blume]